Schon vor einigen Jahren habe ich meinem Sohn eine CD-Rom „Krieg ist der Feind – Die Verantwortung des Wissenschaftlers“ (Aufnahme eines Gespräches mit Joseph Weizenbaum am 18. Juni 2003, erschienen im Hörbuchverlag suppose) geschenkt, weil er Hörbücher mag und weil er bei aller Begeisterung über Kämpfe und Schlachten und Waffen ahnt, dass echter Krieg heute (und früher) viel weniger heroisch ist, als in den Geschichten, Büchern, Filmen und Spielen geschildert. Nun habe ich angefangen mir das Gespräch mit Joseph Weizenbaum anzuhören, bin begeistert und hier einige Notizen zu diesem wunderschönen, humorvollen Monolog eines interessanten und sympathischen Menschen:
Weizenbaum wollte Kryptologie machen, durfte nicht, hat dann Meteorologie gemacht.
Der Computer hat damals die Bibliothek geheizt. Man ist nicht zum Computer gegangen, sondern in den Computer.
Fast alle der Pionier-Programmierer waren Frauen.
Das flitzen Elektronen rum, das sind keine Golfbälle, aber da bewegt sich was. Computer müssen immer noch gekühlt werden, es bewegt sich was, das erzeugt Hitze, keine Golfbälle aber es bewegt sich. Auch der Desktop-Computer muss noch gekühlt werden.
Es hat eine Verschmelzung gegeben von Computer und Kommunikation. Mit allem, womit wir kommunizieren, hat der Computer zu tun. Kurze Geschichte des Computers in den letzten 150 Jahren.
Alles was wir nicht verstehen, scheint uns Zauberei. Seine Tochter Miriam fragte zu einem Zaubertrick, den er seinen Kindern vorführte: „Ist das Zauber oder muss man einfach intelligent sein?“.
Zu erklären, bedeutet, es weg zu erklären.
Anfänge und Definition der künstlichen Intelligenz. Wahrscheinlich wird es nie möglich sein, Computer Ping-Pong spielen zu lassen. Oder es wäre theoretisch möglich, aber viel zu teuer und aufwändig.
Das Wort „eigentlich“ als Parallele zu dem Radio Eriwan-Witz-Anfang: „Im Prinzip ja – Aber!“
Der Computer hat keine Sehnsucht nach dem Strom.
Die Sozialisation eines Computers ist ganz anders als die Sozialisation eines Menschen.
Scham oder eine Notwendigkeit zu Arbeiten (was auch immer das bedeutet) – sowas hat der Computer nicht, darin liegt der Unterschied zwischen Mensch und Maschine.
Was passiert bei einem Menschen, wenn er eine Hand auf der Schulter spürt? Da passiert etwas, was ein Computer nicht kann.
Autonome Maschinen, Sonnenuhr und Motorrad. Die Definition des Menschen und der Maschine.
Und dann habe ich bei Heise-Online entdeckt, dass Joseph Weizenbaum vor einigen Jahren (am 18.10.2005) für einen Vortrag in Darmstadt war:
Joseph Weizenbaum wird gerne als Computerkritiker bezeichnet. Dabei gilt seine Sorge weniger den Computern, als vielmehr den Menschen, die sie kritiklos einsetzen. An der TU Darmstadt versuchte er am gestrigen Dienstagabend dieses Bewusstsein bei angehenden Informatikstudenten zu wecken.
Auf die Frage, was denn zu tun sei, wich Weizenbaum zunächst aus. Schließlich hob er auf die Bildung der Menschen ab. Es sei wichtig, die eigene Sprache möglichst gut zu lernen und zu benutzen. Das beginne in der Familie, in der man möglichst viel und intensiv miteinander sprechen müsse. Nicht ohne Stolz erzählte er, dass eine Tochter einst vorgeschlagen habe, den Geschirrspüler nicht mehr zu nutzen und statt dessen gemeinsam abzuspülen. Die Gesellschaft entwickle eine radikale Einsamkeit: „Man spricht nicht mehr miteinander.“ Die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen sei notwendig und durch nichts zu ersetzen. Und dazu gehöre eine möglichst gute Beherrschung der Sprache. Sie müsse oberstes Ziel der Ausbildung von Kindern sein.
…
Im übrigen beklagte Weizenbaum die Dummheit der Menschen. Alles, was sie wüssten, wüssten sie aus dem Fernsehen. Da sei es kein Wunder, dass sie sich belügen ließen, ohne die Aussagen ihrer Regierung zu hinterfragen. Das träfe sowohl auf die Amerikaner zu, die man bei der Begründung des Irak-Krieges belogen habe, wie auch auf die Deutschen, die sich hätten erzählen lassen, die Wiedervereinigung wäre kostenlos. Allein der Zugang zu Informationen sei eben nicht ausreichend. Es käme auch darauf an, sie zu hinterfragen.
Im Hörbuch erzählt er auch von Countess Lovelace:
Ada Lovelace, auch Ada Augusta Byron oder Ada King, eigentlich Augusta Ada King Byron, Countess of Lovelace (* 10. Dezember 1815 in London; † 27. November 1852 in London) war eine britische Mathematikerin. … Wegen ihrer schriftlichen Kommentare zur mechanischen Rechenmaschine Analytical Engine wird Ada Lovelace als erste Programmiererin – noch vor dem ersten männlichen Kollegen – bezeichnet. Die Programmiersprache Ada wurde nach ihr benannt.
Quelle: Wikipedia
Im Alter von 85 Jahren ist Joe Weizenbaum in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Nach einer Chemotherapie hoffte er noch an seinem Geburtstag im Januar, ein schönes Jahr verleben zu können. In einer seiner letzten Mails schrieb der große Kulturkritiker und Mitbegründer der Computer Science:
„Unser Tod ist der letzte Service, den wir der Welt leisten können: würden wir nicht aus dem Weg gehen, würden die uns folgenden Generationen die menschliche Kultur nicht wieder frisch erstellen müssen. Sie würde starr, unveränderlich werden, also sterben. Und mit dem Tod der Kultur würde alles Menschliche auch untergehen.“
Quelle: Heise Online
Wikpidedia-Artikel zu Joseph Weizenbaum
Artikel im Boston Globe anläßlich seines Todes
Mann, den hätt´ ich gern kennen gelernt!
Zum Abschluss einige schöne Hörbuchtitel, die heute als neu auf der Website des Hörbuchverlags supposé zu finden sind:
neu:
Da fährt mein Zug mit Peter Kurzeck
Die Nacht ist aus Tinte gemacht mit Herta Müller
Feuer-Management für Raumschiff Erde mit J. G. Goldammer
Das Leben der Viren mit Karin Mölling